Erschienen in: ff-Gesundheit ?
Nächtliche Überlegungen eines Zahnarztes
Es ist heute wieder spät. „Schönheit bildet sich in dem, der sie sucht“, sagte Bettina zu Armin und wandte den Blick von dem Bild einer schönen Frau ab. Ich bin still und denke auf die intensiven Augenblicke des Sieges, in denen ich mich als Zahnarzt verzaubert fühle. Wenn ich den Kampf um den Patienten gewonnen, sein allzeit verlorenes Gespür für den eigenen Körper von Weitem zurückhole, ihm die Würde zurückgebe, finde ich die „Schönheit“.
Die Schönheit – sie ist so individuell und vielfältig, wie das Leben selbst und sie steckt in großen Momenten genauso, wie in den Kleinen. Sie wartet nur darauf, entdeckt zu werden.
Die moderne Zahnarztpraxis ist ein Dienstleistungs-unternehmen, ein Team von Menschen, die nach Schönheit und Gesundheit fahnden! Meine Helferinnen wissen, was sie zu suchen haben, wenn der Patient den Mund aufmacht. Und sie sind so lange nicht zufrieden, bis sie ein straffes, helles, gestippeltes und durchblutetes Zahnfleisch und gesunde, glatte und weise Zahnoberflächen sehen können.
5 Flächen hat der Zahn, 5 Angriffsflächen für die fiesen Bakterien. Wir haben so viel zu sehen, zu sagen, zu machen, zu gestallten…in der Partnerschaft. Von den Bildern können sie entnehmen was für eine positive Macht wir an den Patienten ausüben können.
Und so bin ich bin immer noch still, da der Tag interessant und opulent gleichzeitig war und ich mich in Gedanken der nächtlichen Einsamkeit ausruhe. Ich habe heute Patienten in Pikolein gesehen, die sich mit einer schönen, mir unbekannten Sprache verständigen, ohne dass sie „Fissurenversiegelung oder Dentinkanälchen“ auf Ladinisch sagen vermocht haben.
Ich habe zu Mittag in St. Martin gegessen, die Arbeiter beobachtet und überlegt, wie das Leben mit den funktionstüchtigen Zähnen ist. Wären die ganzen Zahnstocher, die die Männer nach dem Mittagsessen verbrauchten notwendig, wenn man nicht Füllungen hätte? Nein – also weg mit den Füllungen – aber wie?
Ich habe gegen Abend mit dem Präsidenten der Zahnärztekammer in Bozen darüber gesprochen, ob man laut nach Außen, über die Presse Richtung Patient predigen kann (ohne den Zorn der nichtpredigenden Kollegen zu erwecken) und später dann, mit einem Nachtwächter im Kulturamt in Bozen über die Zahnpasta, die er verwendet, diskutiert.
Nun bin ich zurück in Sand in Taufers, wo meine Praxis liegt und denke darüber nach, ob sich die Menschen retten lassen möchten, wollen, zumindest was die Mundgesundheit angeht.
Ja, wir Zahnärzte müssen helfen, reparieren, heilen! Dass haben wir in dem Hypokratischen Eid am Ende des Studiums versprochen. Wir tun aber mehr! Zumindest die Meisten von uns. Wir sind an der ersten Kontaktfront und der Mund ist das Tor zur Gesundheit. Im Gleichschritt mit den Hausärzten sehen wir die meisten Patienten. Wir können bewegen. Die Zahnheilkunde lehnt sich immer mehr an die humane Medizin an und die Schweiz ist das erste Land, wo man die Schwerpunkte hin zum „Arzt für Orale Medizin“ setzt.
Auch die Zähne werden älter – hier eine Liebeserklärung (I. Rüder), die mich sehr anspricht:
„Ein Zahn ist ein lebendiges Wesen.
Er fühlt Hitze und Kälte
sanfte Berührungen
oder harten Druck
Er kann schmerzen
oder sich wohlfühlen
Und wie jedes Lebewesen
geht es ihm am Besten, wenn er liebevoll gepflegt wird.
Dann ist er ein guter Freund“.
Obwohl die Kariesprophylaxe eine Erfolgsgeschichte auch hier in Südtirol ist, bleibt der Milchzahnkaries immer noch als ein dunkles Kapitel unseres Berufes; hier sind wir, die Zahnärzte, Ärzte und die Eltern, gemeinsam gefordert. Also voll bezahnt und parodontal gesund bis ins hohe Alter – ist das noch ein Wunschdenken oder ist das eine realistische Herausforderung der Zukunft? Wie in der großen Medizin wollen die Ärzte gesunde und physisch starke alte Menschen. Wünschen wir Zahnärzte uns die Mundgesundheit unserer Patienten.
Dazu müssen uns alle anstrengen – in der Prophylaxe, in der Vorbeugung, in der Aufklärung, in Partnerschaft. Wir wollen also keine Kranken, wir wollen Menschen mit langen gesunden Phasen und kurzer Morbidität.
Für Heute ist es genug. Ich denke nicht mehr an die Betina, sondern an die Margarethe Maultasch. Was hätte sie alles noch für Südtirol getan, hätte sie uns Zahnärzte gehabt!